Der Klassiker:
Hochzeitswochenende. Trauung vorbei.
Ich habe meine erste Umarmung mit dem Brautpaar bekommen, und mache mich nach dem Sektempfang auf den Heimweg.
Ich bin allein im Auto, kann kaum stillsitzen, so sehr wirbeln die Gedanken in mir. Ich schwebe auf Wolke 73, ich bin völlig erfüllt vom Glück meines Paares, von diesem ganz besonderen Hochgefühl, meine englischen Kollegen haben den Begriff: „after-wedding-boost“ gefunden. Passt genau.
Ich bin erfüllt von der Geschichte des beiden Menschen, die ich grade verheiratet habe. Ich grinse ganz allein vor mich hin, wenn ich an die Tränen de Gäste denke.
Ich möchte die ganze Welt umarmen, allen von meinem Glück erzählen, dass ich diese Momente erleben darf. Ich bin ganz einfach und aus tiefstem Herzen glücklich. Oft telefoniere ich dann mit Mirjam Zacharias, meiner Freundin, ebenfalls Rednerin. Wer uns zuhört, denkt sicher: Die spinnen, die beiden. Wir reden gleichzeitig, die Worte überstürzen sich vor lauter: „und dann und als und weil und es war so toll und wie wunderbar und und und“. Ich glaub, diese 10-20min nach einer Trauung bin ich für andere Menschen kaum zu ertragen, daher greif ich immer sofort zum Telefon…
Ich lege auf, bin allein im Auto und völlig erschöpft. Denn auch das gehört zum „Nach-der-Hochzeits-Gefühlssturm“ dazu: Diese Augenblicke, in denen ich mir immer wieder klar werde, dass ich, dass wir Redner auch eine große Verantwortung tragen.
Ich wünsche mir sehr, dass meine Paare in der Zeremonie einen Ruhepunkt finden, von dem aus sie mit ihren Gästen in den bunten, wilden, anstrengenden Hochzeitstag starten können.
Ich wünsche mir sehr, dass die Gäste merken, wie wichtig dieser Tag, diese Zeremonie dem Brautpaar ist, wie wichtig sie als Gäste, als Freunde und Familie sind.
Ich möchte gern eine leichte, entspannte, und ernsthafte Atmosphäre schaffen, die Raum für Emotionen lässt, Zeit für Augenblicke der Stille. Das alles für und mir einer Gruppe von Menschen, die sich freuen, die aufgeregt sind, gespannt und erwartungsvoll. Von denen ich meist genau zwei Personen kennen: Das Brautpaar.
Also bin ich ab dem Augenblick, an dem ich die Location betrete, zu 150% konzentriert. Ich nehme auf, was ich sehe und höre, bin Ansprechpartner für kleine Details und oft die Einzige vor Ort, die nicht voller Nervosität und Anspannung ist. Ich halte die Trauung frei, ohne Manuskript in den Händen. Ich erzähle von dem Paar, was ich mir in den Tagen zuvor überlegt habe, was ich nun im Kopf und Herzen habe.
Ich lache mit allen, ich bin berührt und glücklich. Ich bin voll konzentriert und hoffe, man merkt es mir nicht an.
Genau dieser Wiederspruch kostet Kraft. Locker und leicht zu handeln und zu sprechen, dabei mit Augen und Ohren und Herz alles wahrnehmen, besänftigen, ausgleichen –
ich liebe genau diese Momente, die lebendiger kaum sein können. Ich gebe alles und nehme alles um mich herum auf, mein Herz ist vollgesogen und läuft über, meine Gedanken wirbeln.
Ich bin himmelhochjauchzend, völlig erschöpft.
Auf dem wunderbaren Bild von lulugraphie seht Ihr mich während einer Trauung auf dem Kirsch-Hof kurz Kraft tanken. Die Freundin der Braut hat für uns Klavier gespielt. Ich hab innegehalten und durchgeatmet.